Kultur

Faszination Theater – Wenn die Bühne zum Lieblingsort wird

Das Hochschultheater der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg startet im Wintersemester 2023/24 in seine 15. „Spielzeit“. Eine gute Zeit also, der studentischen Theatergruppe eine Stimme zu geben und die Spielenden und Gründer Pascal Grupe zu Wort kommen zu lassen.

Gruppenfoto des Hochschultheaters in Kostümen zur Inszenierung der Chinesischen Mauer im Sommersemester 2023

Gruppenfoto vom Ensembles des Hochschultheaters zum Stück "Die Chinesische Mauer" im Sommersemester 2023 Foto: Felix Mütsch

Die Aula füllt sich nach und nach mit Freund:innen, Kommiliton:innen, Dozent:innen, Verwandten und Bekannten. Sie alle sind heute Abend hier, um sich die letzte Aufführung des Theaterstücks „Die Chinesische Mauer“ von Max Frisch, inszeniert vom Hochschultheater der Pädagogischen Hochschule, der PH, in Ludwigsburg anzuschauen. Die Türen schließen sich, das Licht geht langsam aus, der schwarze Vorhang, der das Publikum von der Bühne trennt, öffnet sich und als allmählich die Gespräche im Saal verstummen, betreten die Schauspielenden in bunten Kostümen und in Scheinwerferlicht gehüllt die Bühne. It’s Showtime!


Das Theater als Freizeitausgleich neben dem Studium


„Am Anfang war es einfach nur Zufall, dass ich davon mitbekommen habe. Aber jetzt ist es einfach mehr.“, berichtet Dennis Schmidt (23). Der Student der Kultur- und Medienbildung ist einer von acht Theatermenschen aus dem Hochschultheaterkontext, die in diesem Artikel zu Wort kommen. Sie sollen dem Hochschultheater eine Stimme geben. Dennis selbst war bei „Die Chinesische Mauer“, dem Stück, das das Hochschultheater, das HT, im Sommersemester 2023 zur Aufführung brachte, nicht dabei, sondern in Kroatien im Rahmen seines Auslandssemesters. Wer aber als Inconnue de la Seine und Mutter Olan auf der Bühne stand ist Dorothea Hub (21), Sonderpädagogik-Studentin an der PH. Sie sei auch extra wegen dem HT nach Ludwigsburg gekommen, weil ich unbedingt nebenbei Theater spielen wollte.“, erzählt sie. Das Theaterspiel sei für sie ein schöner Ausgleich zum Alltag.


Aber nicht nur für Dorothea ist das Theater ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens geworden. So meint Lina Buchloh (26), ebenfalls Sonderpädagogik-Studierende, die als Mee Lan eine der Hauptrollen in „Die Chinesische Mauer“ verkörperte, über das Theaterspiel: „Für mich ist das ein Hobby und ich möchte das in meiner Freizeit machen und gebe da viel Herzblut rein.“ Lina geht sogar so weit zu sagen, dass Theater „einem einfach den Stock aus dem Hintern zieht und man über seinen eigenen Schatten springen und Sachen machen muss, wo man im Alltag denken würde ‚Das wäre mir irgendwie unangenehm‘, aber dadurch, dass es dir eine andere Rolle ermöglicht, ist das einfach eine tolle Art und Weise sich selbst nochmal aus einem ganz anderen Blickwinkel zu sehen.“ Eileen Sander (27), die Sekundarstufe I studiert, sagt über ihre Leidenschaft zum Theater: „Ich habe ein Mittel gefunden ich selbst zu sein, aber gleichzeitig auch noch ganz viele andere Facetten und Rollen zu entdecken, die irgendwie alle trotzdem ‚Part of me‘ sind. Und ich glaube, deswegen spiele ich Theater, weil ich gemerkt habe, dass es mir persönlich enorm viel gibt. Aber gleichzeitig kann ich auch enorm viel zurückgeben in eine Gruppe. Das ist so eine Win-Win-Situation.“ Es ist diese Art von Leidenschaft, die die Theaterspielenden verbindet; sie zu einer Gemeinschaft werden lässt. Der Gründer des Hochschultheaters, Pascal Grupe (28), der inzwischen als Theaterpädagoge am jungen Staatstheater in Karlsruhe tätig ist, beschreibt das Hochschultheater sogar als: „ein Ort der Magie, auf den man sich einlassen und seine Erwartungen hinter sich lassen muss.“


Der Weg des Hochschultheaters vom Projekt zur Kulturinstitution


Gegründet wurde das Hochschultheater im Wintersemester 2016/17 von Pascal und seiner Kommilitonin Josefine Gerlach, die zusammen Kultur- und Medienbildung studierten und sich im Rahmen des Projektsemesters im 5. Semester als Projekt die Gründung des Hochschultheaters vornahmen. Auf die Frage, was die Intention hinter dem Hochschultheater sei, antwortet Pascal: „Die meisten Universitäten oder Hochschulen haben eine Theatergruppe, nur hatte die PH Ludwigsburg keine. Und im Gespräch mit Kommiliton:innen damals habe ich erfahren, dass es mal eine Studentenbühne gab, circa 30 Jahre lang, die aber dann aufgelöst wurde, ganz kurz bevor ich angefangen habe zu studieren.“ Da sie es schade fanden, dass Menschen, die gerne Theater spielten, die vielleicht auch ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln wollten, nicht die Möglichkeit hatten, Theater im Rahmen der Hochschule zu spielen, gründeten sie das Hochschultheater. „Wir haben uns überlegt, das nicht nur im Rahmen von unserem Projektsemester zu machen, sondern wirklich wieder eine Institution an der Hochschule zu etablieren, in der Studierende für Studierende Theater spielen und alle Menschen, die an der Hochschule studieren und Lust haben auf Theater, einen Ort haben, bei dem sie das ausleben können.“, so Pascal.


Dieser Ort existiert fast 7,5 Jahre nach dessen Gründung noch immer, umfasst inzwischen ein von Semester zu Semester stetig wechselndes Ensemble mit 19 Mitglieder:innen und feiert dieses Semester sein 15. (Semester-)Jubiläum. 


Für das Interesse am Theater gekommen und für die Freundschaften geblieben


Doch wie sind die Spielenden auf und in diese Gruppe gekommen? Dafür hat Eileen Sander, die zuletzt als Zeremonienmeister Da Hing Yen auf der Bühne stand, eine ganz eigene Geschichte zu erzählen: „Ich komme ja aus Hannover und ich kannte wirklich niemanden in Ludwigsburg. Ich hatte keine Freunde hier unten im Süden in Deutschland und ich erinnere mich bis heute: Ich stand alleine, ich glaub, in der Einführungswoche bei diesem Glasgang und dachte nur so „Wow, na toll, du kennst hier kein Schwein, was machst du jetzt?“ Und da hing so ein einsamer Zettel an dieser Glaswand und dort stand: ‚Komm vorbei, wenn du Bock hast, Theater zu spielen! Hochschultheater: Mittwoch 18 Uhr Infotreffen.‘ Und dann bin ich dort vorbei. Wir haben lustige Spiele gespielt, alle Leute waren übelst locker und nett. Ich bin gleich mit denen ins Gespräch gekommen und dachte nur so ‚Okay, Eileen, that’s your chance. Wenn du diese nicht nimmst, dann wirst du keine Freunde an der PH finden!‘ Nein, Scherz. Nicht so dramatisch, aber ungefähr so. Es war mein erster Anlaufpunkt Menschen kennenzulernen, auch außerhalb meines Studiengangs. Denn ich studiere Sekundarstufe I mit Englisch und Deutsch, das heißt, zwei Riesenfächer und da lernst du irgendwie schon Leute kennen, aber auch nicht so richtig, weil du jedes Mal mit neuen Gruppen gemischt wirst und beim Hochschultheater war es echt cool aus allen Lehrämtlern, aus KuMeBi, aus FrüBi Leute kennenzulernen, die ich wahrscheinlich im Laufe meines Studiums so nie kennengelernt hätte und es sind halt auch Freundschaften daraus entstanden.“ 


Julia-Darstellerin und Grundschulstudentin Denise Fischer (21) hat vor allem die Fairness in der Rollenverteilung im Hochschultheater angesprochen: „Man darf sich in jeder Rolle ausprobieren und wird nicht in eine Schublade gesteckt oder nach seinem ‚Talent‘ beurteilt.“ Aber auch die Art der Theatergruppe ist besonders. So sagt Denise weiter: „Es ist alles freiwillig und wir organisieren uns eigenständig. Niemand wird bezahlt oder ist nur für das Endprodukt dabei. Jede:r ist durch das Interesse am Theater gekommen und für die entstandenen Freundschaften geblieben. Wir würden uns auch ohne das Theater treffen.“ 


Auch Dorothea Hub gefällt diese Art der Laienhaftigkeit des Hochschultheaters: „Es ist cool, dass wir alle keinen Plan haben. Ich mein, das ist ja trotzdem Kunst. Ich war auch mal in einer Theatergruppe in der Grundschule, wo der Lehrer etwas gesagt hat und das hat man halt gemacht. Es gab kein Endziel, keine Aufführungen. Es war eben eine Arbeitsgruppe. Und hier im Hochschultheater haben wir ein Endprodukt, die Aufführungen werden sogar gefilmt und später auch geschnitten. Alle sind miteinander befreundet und wenn mal nicht alles glatt läuft, wächst man damit auch näher zusammen.“


Die Sichtbarkeit und die Zukunft des Hochschultheaters


Doch wie sichtbar ist das Hochschultheater am PH-Campus? Clara Wolfstieg (26), die Kultur- und Medienbildung studiert, berichtet: „Ich denke, das Hochschultheater ist sichtbar an der PH, ich finde es allerdings schade, dass das Theater vor meiner Studizeit wohl mal viel mehr finanzielle Mittel und generelle Ressourcen hatte, welche durch den Abgang einer Lehrperson mehr oder weniger verschwanden. Ich würde mir wünschen, dass die PH in Bezug auf die kreativen Bereiche mehr Förderungen stellt.“ Auch Europalehramtsstudentin Viola Raff (25), die die Rolle des chinesischen Kaisers Tsin Sche Hwang Ti in „Die Chinesische Mauer“ innehatte, bewertet die Unterstützung durch die PH als zu gering. Sie wünsche sich mehr Anerkennung von Seiten der Hochschule für das Hochschultheater und dass noch mehr Studierende ihre Aufführungen anschauen und sie damit unterstützen. Dass die Technik in der Aula auch nicht die idealste für Theateraufführungen ist, weiß Pascal Grupe nur zu gut: „Was ich mir wünschen würde, wäre auf jeden Fall eine bessere Technikausstattung. Die Aula hat schon auch einen spannenden Vibe, aber das Licht ist tatsächlich nur bedingt einsetzbar. Und da nochmal mehr Möglichkeiten zu haben, das würde ich dem Hochschultheater wünschen.“


Aber was kann das Hochschultheaterpublikum in Zukunft von der studentischen Gruppe erwarten? Dazu sagt Lily Nitsche, die im Wintersemester in die Leitung des HT wechselt: „Also, was man natürlich immer erwarten kann, sind geile Stücke und geiles Theater. Nächstes Semester ist wieder geplant, ein Stück selber zu schreiben. Das ist jetzt ein bisschen anders als die Semester davor, sonst hat immer das ganze Ensemble ein Stück geschrieben und jetzt haben sich drei, unter anderem ich, zusammengefunden und schreiben jetzt quasi ein Stück vorab fürs Hochschultheater.“ Zum Thema des neuen Stücks erzählt sie: „Man kann schon sagen, dass es sehr um die Menschlichkeit geht und um verschiedene Geschichten von sehr verschiedenen Menschen. Das ist natürlich sehr vage, aber man möchte auch nicht zu viel sagen. Es wird ein Ort sein, wo sich viele verschiedene Menschen treffen und von ihrem Leben erzählen.“ Viola Raff fügt ergänzend hinzu: „Die Tendenz des HT ist, dass es immer mehr postdramatische Mittel in ihren Projekten verwendet. Ich denke, dass die nächsten Projekte also noch skurriler werden könnten.“


Nun stellt sich zuletzt natürlich noch die Frage, wie Studierende der PH beim Hochschultheater mitmachen können. „Prinzipiell kann jeder oder jede mitmachen, die oder der Bock darauf hat. Wir haben jedes Semester einen kleinen Schnuppertag, wo man vorbeikommt und sich am Ende dazu entscheiden kann, ob man möchte oder nicht. Und dann gibt es auf Moodle die Möglichkeit sich einzuschreiben in den Hochschultheaterkurs. Es gibt kein Vorsprechen, keine Audition.“, so Lily. Wer informiert bleiben möchte, kann dem Instagram-Account des Hochschultheaters folgen. Dort wird auch bekannt gegeben, ob und wann dieser Infotag für neue Mitglieder:innen im Wintersemester 2023/24 stattfindet. Mit neuem Ensemble und neuem Stück ist das Hochschultheater am 18., 24. und 25.01.24 wieder auf der Bühne zu erleben. Eines lässt sich dabei schon mit Sicherheit sagen: vorbeikommen lohnt sich!