Wir schreiben das Jahr 2017. Im Herzen des Münchner Wohnungsdschungels stehe ich in einem 10qm Zimmer für 650€, eingepfercht von einer weiteren Bewerberin und ihrer eineiigen Zwillingsschwester. Ebendiese fängt nun an, wie aus einem Loriot-Sketch herausgegriffen, die Schmeicheleien ihrer wohnungssuchenden Schwester beinahe wortwörtlich zu wiederholen. Die groteske Situation nimmt ihren Höhepunkt, als die beiden die Dusche entdecken und darüber frohlocken, wie gerne sie sich doch in einer richtigen Dusche (und nicht einer umfunktionierten Badewanne) reinigen würden.
Das ist nun ein paar Jahre her. In dieser Zeit konnte ich viele weitere Zimmer besichtigen und war noch öfter in der vorteilhafteren Position einer WG, bei denen ein Zimmer frei geworden ist. Daraus haben sich ein paar Tipps für das Überleben in der WG-Casting Landschaft ergeben. Bei den folgenden Ratschlägen zur erfolgreichen Zimmersuche handelt es sich demnach ausschließlich um persönliche Erfahrungen, von welchen ganz dreist auf die Allgemeinheit geschlossen wurde.
1. Ein Text, der das Interesse weckt
In der Flut aus Anfragen zu einem Zimmer ist es als WG nicht immer einfach zu entscheiden, wen man zu einem Treffen einladen will. Mit einem einfachen: „Hallo – ist das Zimmer noch frei?“ ist es also nicht getan. An dieser Stelle ist es eine schöne Idee, seinen Text über sich mal ganz anders anzugehen. Schreibt vielleicht ein Steckbrief im Stil eines Freundebuchs aus der Grundschule oder einen Lückentext mit Infos über euch, den die zukünftigen Mitbewohner*innen erst ausfüllen müssen. Auch ich wurde sogar mit meinem nicht ganz uncringen „Ich-hab-keinen-Schimmer-ich-such-nur-ein-Zimmer“ Gedicht zu Besichtigungen eingeladen. Solltet ihr dafür keine Muße haben, ist das kein Problem – versucht die Anfragen ein wenig auf anderem Weg zu personalisieren. Sucht euch konkrete Aspekte oder Fragen aus der Anzeige, auf die ihr eingehen könnt und nehmt euch die Zeit, die Namen der jeweiligen Vermietenden für die Ansprache herauszusuchen. Es fällt auf, wenn der gleiche, unveränderte Text an jede Anzeige geschrieben wurde. Versucht auch etwas über euch zu schreiben, was euch vielleicht von anderen unterscheidet. „Ich bin offen, treffe mich gern mit Freunden und zu Vino sag ich nie no“ ist durchaus eine freundliche Ansprache, kommt aber leider in sehr vielen Nachrichten vor. Habt ihr hingegen eine Garnele zum Haustier, sammelt Kakteen oder versucht immer noch das perfekte Bananenbrot zu backen? Dann erzählt davon – so etwas macht neugierig und bringt andere dazu, mehr über euch hören zu wollen.
2. Der perfekte erste Eindruck
Bei dem WG-Casting selbst ist ein souveränes Auftreten oft gar nicht so einfach. Wie bei einem ersten Date, leidet man unter einem Balanceakt zwischen einer guten Selbstdarstellung und dem Anspruch, einen Einblick in sein reales, alltägliches Verhalten zu geben. Trotzdem gilt hier: Seid einfach ihr selbst. Ihr müsst letztendlich mit den Menschen in dem Umfeld zusammenwohnen, da solltet ihr auch einen ehrlichen Einblick in eure Persönlichkeit ermöglichen. Schließlich wollen auch die zukünftigen Mitbewohner*innen wissen, ob sie mit euch stundenlang Karaoke singen können oder ihr abends lieber eure Ruhe habt. Seid demnach freundlich, ehrlich und zeigt Interesse an der Wohnung sowie den dazugehörigen Mitbewohner*innen. Legt euch vorher ein paar Dinge zurecht, die ihr gern erfahren wollt. Wie sieht der WG-Alltag bei euch aus? Kocht ihr gemeinsam? Gibt es zusätzliche Kosten wie GEZ oder Müllgebühren oder sind diese in der Miete inbegriffen? Diese und noch weitere Fragen zeigen, dass ihr mehr über das konkrete Zusammenleben erfahren wollt. Achtet außerdem auf Kleinigkeiten. Wie bei einem Bewerbungsgespräch sind es oft die kleinen Unterschiede, die die Entscheidung ausmachen. Es bleibt also positiv in Erinnerung, wenn ihr beim Eintreten fragt, ob ihr die Schuhe ausziehen sollt oder ihr am Ende fragt, wo das benutzte Glas aufgeräumt werden kann.
Zum Abschluss ein Appell an alle, die selbst ein Zimmer zu vergeben haben: Lasst euch von englischen Anfragen oder welchen mit Rechtschreibfehlern nicht abschrecken und ladet auch Menschen zu euren Castings ein, die eventuell noch nicht lange in Deutschland wohnen oder als Internationals kommen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass Menschen besonders auf dem Wohnungsmarkt rassistische Erfahrungen machen und People of Color mehr Schwierigkeiten haben, ein Zimmer zu finden. Seht es also als Chance, eure Privilegien zu teilen und einen Beitrag zum Abbau von Vorurteilen zu leisten. Darin steckt auch viel Potential für eure WG-Konstellation in einen neuen Austausch zu kommen und vielleicht auch mal etwas anderes als Butterbrot mit Tomate zu kochen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Seid da draußen einfach ihr selbst, oder eine bisschen nettere Version davon, und bitte bitte bitte, bringt nicht eure Eltern mit.