Ich wohne mittlerweile schon eine kleine Weile über den belebten Bars der Stadt, in einem der von außen charmant wirkenden alten Häusern an der Hauptstraße, die sich durch das Herz von Stuttgart zieht. Das Gelächter der Menschen in den Bars vor der Tür klingt hoch bis zu unseren Fenstern und der rhythmische Bass des Clubs gegenüber untermalt die aufsteigende Melodie. Wir haben immer gerne Besuch, laden Leute ein und heißen erstmal jede*n herzlich willkommen. Den überraschenden Gast von gestern Abend würden wir dann aber doch ganz gerne wieder freundlich zur Tür hinausbegleiten.
Mission Mäusejagd: Planlos, aber motiviert
Ein kalter Schauer durchfährt meinen Körper, als ich in die erschrockenen Augen meiner Mitbewohnerin schaue, nachdem sie aufgeregt an meine Tür hämmerte. „Alter Scheiß! Gerade war eine Maus in meinem Zimmer.“ Oh nein, denke ich mir nur. Im Hausflur bin ich an unsere kleinen vierbeinigen Nachbarn schon gewöhnt, aber in der eigenen Wohnung??? Damit überschreiten sie nun doch einige Grenzen meiner Privatsphäre. Mit leicht zitternden Beinen begeben wir uns gezwungenermaßen auf Mäusejagd. Bewaffnet mit großen “Einfangschüsseln“ (Salatschüsseln), bereit für den entscheidenden Moment. Ein paar Mal flitzt sie flink vor unseren Füßen entlang und so langsam schließe ich die kleine Maus in mein Herz.
Dieses süße Fellbündel mit dickem Bauch hat es sich in unserem Müllberg im Hausflur wohl schon ordentlich gut gehen lassen. Ein wahres Paradies für die kleinen Vierbeiner. Vor allem wenn die Nachbarn die einfachsten Regeln der Mülltrennung noch nicht so ganz verinnerlicht haben und in den freistehenden gelben Säcken all das landet, was so ein kleines Mäuseherz begehrt.
Die Mäusejagd bleibt am Ende zwar ohne Erfolg, aber immerhin entdecken wir den Eingang zu ihrem eigentlichen Zuhause, die Badewanne. Nach unserem kleinen Badewannen-Wasser-Debakel letzte Woche haben wir den Zugang zu den Rohren zur Trocknung offengelassen. Ohne zu ahnen, dass genau dort das Zuhause unserer kleinen Mitbewohnerin zu sein scheint. Zugegebenermaßen, ausgepolstert mit jeder Menge Glaswolle, ein ganz bequemes Örtchen. Einrichtungstechnisch jedoch ausbaufähig.
Die perfekte Falle?
Aus Angst vor weiteren kleinen ungebetenen Gästen verschließen wir vorerst den Zugang zum Mäuseparadies und entscheiden uns, eine Falle zu bauen. In den alten Eimer aus der Ecke schneiden wir ein kleines Loch, stellen ihn falschherum auf und drapieren etwas Schokolade innerhalb des Eimers – (Google sagt, Mäuse mögen Schokolade… sehr sympathische Tiere). Die aus Büchern gebaute Treppe soll den Zugang erleichtern. Zufrieden mit dieser Wahnsinnskonstruktion gehen wir erstmal guten Gewissens schlafen.
Zu unserer Überraschung befindet sich unsere kleine Freundin am nächsten Tag jedoch nicht in der 1-A-Falle. Also klingeln wir Jens an. Er erkennt meine Stimme sofort und steht ein paar Stunden später vor unserer Tür. Jens kam schon öfter vorbei und hat uns das ein oder andere Mal ausgeholfen. Die Situation im Hausflur und anscheinend auch in den alten Wänden, Decken und Rohren hat sich diesen Sommer jedoch noch nicht verbessert. Als ich Jens' T-Shirt sehe, muss ich schmunzeln: „Mäuse: 0 – Ich: 1“. Er performt jedes Mal mit großartigen Sprüchen auf seinem Shirt. Eines meiner bisherigen Highlights: „Kammerjäger – offizieller Party-Crasher für Nager“. Vor meinem inneren Auge tanzt unsere kleine Freundin mit ihren Mäusebrüdern und -schwestern auf der Tanzfläche unter unserer Badewanne – bis Jens plötzlich auftaucht und dieses heitere Treiben abrupt beendet. Schnell wische ich dieses Bild aus meinen Gedanken.
Beim Anblick unserer selbstgebauten Falle muss er lachen und übergibt uns kurzerhand ein paar Lebendfallen, nachdem wir die Giftfallen dankend abgelehnt haben. Bei einer Tasse Tee versorgt er uns mit dem neusten Gossip der Straße und bestätigt uns erneut, dass die Situation in unseren Nachbarhäusern kaum besser ist. Doch als er von der kleinen Bar im Erdgeschoss unseres Hauses erzählt, beginne ich wirklich zu zweifeln. Kaum hatte er das Lager betreten, hörte er ein leises Rascheln, das immer lauter wurde – bis er zur Seite blickte und sah, wie einer der gelben Säcke, die dort gelagert wurden, langsam an ihm vorbeiwanderte. Offenbar hat sich dort eine kleine Mäusekolonie häuslich eingerichtet und tritt nun vorsorglich den Rückzug an – vor Jens, ihrem wohl größten Feind.
Abschied oder Adoption?
Nachdem Jens das Haus verlassen hat und ich allein mit der Frage zurückbleibe, ob die Mäuse bald die gesamte Straße übernehmen werden, höre ich es leise piepsen. Die kleine Maus hat sich in die Falle von Jens verirrt. Enttäuscht schaue ich sie an. Dass sie diesen Käfig wirklich unserer Schokoladen-Falle vorgezogen hat?! Ich frage mich, was ich jetzt mit ihr machen soll. Was ist die beste Lösung? Aussetzen, zurück in ihr Zuhause unter der Badewanne verfrachten und einfach die Tür verschließen, Jens anrufen? Während ich noch ratlos mit der Falle vor der Haustür stehe, kommt eine Frau vorbei, bleibt abrupt stehen und fragt aufgeregt, ob sie unsere kleine Freundin adoptieren darf. Ich schaue in die großen Augen der kleinen Maus und frage mich, ob wir nicht doch noch Platz für einen neuen Mitbewohni haben.